Benutzer:Martin Kerstein/2012-06-19
Macht es Spaß? Colin Johanson erläutert, wie ArenaNet Erfolg misst - 19. Juni 2012[Bearbeiten]
(Dieser Text ist die Übersetzung von diesem Artikel auf unserem Blog.)
Der leitende Content Designer Colin Johanson erläutert, wie man Großes vollbringen kann, wenn man es sich zum Ziel setzt, ein MMO zu entwickeln, das Spaß macht, anstatt Abonnenten bei der Stange zu halten.
Lasst mich diesen Blog-Beitrag mit einer Frage einleiten: Wie misst man den Erfolg eines MMOs?
Bisher war es einfach, den Erfolg eines traditionellen MMOs zu bestimmen: Das ultimative Kriterium, anhand dessen ein Unternehmen gemessen hat, wie erfolgreich ein Spiel war, waren die Abonnentenzahlen. Und in der Regel richtete sich auch die Kundschaft nach diesen Zahlen, um den Erfolg des Spiels einzuschätzen. Die Anzahl der gleichzeitig eingeloggten Benutzer - das heißt, wie viele Spieler jeweils gleichzeitig online sind - war ebenfalls wichtig, doch dieser Wert blieb den Benutzern für gewöhnlich verborgen, da er in der Regel ein weniger rosiges Licht auf die Gesundheit des Spiels warf, wenn man ihn mit der Anzahl der aktiven Abonnements verglich.
Es stellt sich also eine zweite Frage: Wenn der Erfolg eines abonnementsbasierten MMOs an der Zahl der Spieler gemessen wird, die eine monatliche Gebühr entrichten, wie wirkt sich das auf das Spieldesign aus?
Die Antwort liegt in den Mechaniken und Entscheidungen, die für abonnementsbasierte MMOs gewählt bzw. getroffen werden, und die dafür sorgen sollen, dass Spieler aktiv bleiben, indem sie im Spiel Dinge durch Prozesse erreichen müssen, die möglichst viel Zeit in Anspruch nehmen. In anderen Worten: Man entwirft Systeme, die einen höheren Zeitaufwand bedeuten, damit die Benutzer länger spielen. Wenn das die treibende Kraft eines Geschäftsmodells ist, mit dem ein Gewinn erzielt werden soll, ergibt dies durchaus Sinn und ist sogar eine unglaublich clevere Vorgehensweise, die man unterstützen muss.
Wenn die Systeme des Spiels angelegt und entworfen werden, um dieser übergeordneten Motivation eines abonnementsbasierten MMOs Rechnung zu tragen, muss man potenziell Abstriche in Sachen Qualität machen, damit man so genug Inhalt produzieren kann, um Spieler lange genug zu beschäftigen. Das Resultat sind Systeme für den Stufenaufstieg, die Spieler wie verrückt grinden lassen, um die nächste Stufe zu erreichen; Beutesysteme, die voraussetzen, dass man ein Verlies durchspielt, obwohl nur die geringste Chance besteht, dass der erwünschte Gegenstand abgeworfen wird; Raid-Systeme, die erfordern, dass massenweise Spieler gleichzeitig online sind; sich endlos wiederholende eintönige Sammel- und Killquests oder tägliche Quests, die sich nur durch leichte Variationen im Text voneinander unterscheiden und bei denen die besten Ausrüstungsgegenstände nur durch immensen Zeitaufwand verdient werden können, usw.
Doch was wäre, wenn das Geschäftsmodell nicht auf Abonnements basierte und das Inhaltsdesign nicht durch die Forderung nach Mechaniken, die Spieler so lange wie möglich beschäftigen, motiviert wäre? Als wir uns Gedanken zum Design von Guild Wars 2 machten, haben wir uns die folgende Frage gestellt: Was wäre, wenn wir bei der Entwicklung des Spiels auf eine andere Grundlage aufbauen würden, und zwar … und jetzt kommt's … Spaß?
Wenn wir Spaß als Hauptkriterium beim Messen des Erfolgs anlegten, könnten wir dann den Spieß bei der zentralen Zielsetzung womöglich umdrehen und uns bei unseren Design-Entscheidungen davon leiten lassen, was wir als Spieler gerne spielen würden? Könnten wir vielleicht unsere Zeit darauf verwenden, bedeutsame und fesselnde Inhalte zu schaffen, anstatt Lückenfüller zu produzieren, um das Spiel auszudehnen? Und könnte es uns gelingen, etwas zu entwickeln, das so viel Spaß macht, dass man es mehrere Male durchspielen will, gerade weil es Spaß macht und nicht, weil das Spiel einen dazu zwingt? Denn das sind die Spiele, mit denen wir aufgewachsen sind. Ich kann euch gar nicht sagen, wie oft ich Quest for Glory gespielt habe, und das Spiel hat mir keine 25 täglichen Quests aufgezwungen, für die ich mich einloggen musste - ich habe es immer wieder gespielt, weil es Spaß gemacht hat!
Wenn man Spaß als Hauptkriterium für den Erfolg eines Spiels hernimmt, wie produziert man Inhalte, die diesem Kriterium gerecht werden, und woher weiß man, ob man erfolgreich ist? Ob ein abonnementsbasiertes Spiel das Kriterium für seinen Erfolg erfüllt, lässt sich nur allzu leicht feststellen: Man schaut sich die Anzahl der Abonnements an. Spaß hingegen lässt sich viel schwerer definieren. Um ebendies zu tun, mussten wir den Prozess für den Inhalt bei Guild Wars 2 von Grund auf anhand des Begriffs Spaß neu definieren, und wir begannen dabei mit einer denkbar einfachen Fragestellung, die man in der Spielentwicklung nichtsdestotrotz nur selten hört: "Hast du Spaß?".
Dieses Kriterium für den Erfolg hatte vielerlei Auswirkungen auf die anfänglichen Entscheidungen, die wir in Sachen Content Design für Guild Wars 2 getroffen haben. Dies sind nur einige Beispiele:
- Spaß wirkt sich auf das Sammeln von Beute aus. Die seltensten Gegenstände des Spiels sind nicht mächtiger als andere Gegenstände; man braucht sie also nicht, um zu den Besten zu gehören. Die seltensten Gegenstände unterschieden sich durch ihr einzigartiges Aussehen, damit euer Charakter stolz auf seine Leistung sein kann; sie sind aber nicht notwendig, um das Spiel zu spielen. Spieler sind nicht verpflichtet, Ausrüstungsgegenständen hinterherzuhecheln, vielmehr haben wir alles optional angelegt, sodass jene, die Spaß an der Jagd nach prestigeträchtiger Ausrüstung haben, auf ihre Kosten kommen, aber alle anderen genau so stark sind und auch ihren Spaß haben dürfen.
- Spaß wirkt sich auf Entscheidungen aus. Wenn ihr ein Verlies durchgespielt habt, erhaltet ihr Marken, die ihr gegen Belohnungen in Form von ersehnten Gegenständen eintauschen könnt, anstatt auf die minimale Chance zu warten, dass der gewünschte Gegenstand als Beute abgeworfen wird - schließlich macht es mehr Spaß, immer die Belohnung zu bekommen, die man auch haben will!
- Spaß wirkt sich auf die Entwicklung aus. In erkundbaren Verliesen könnt ihr mehrere Pfade einschlagen, die wiederum mit zufallsbasierten Ereignissen aufwarten. Das bedeutet, dass ihr nicht das Gefühl haben werdet, ihr müsstet das gleiche Verlies wieder und wieder durchspielen, um in Genuss seiner prestigeträchtigen Belohnungen zu kommen. Vielmehr könnt ihr eure Erfahrung ändern und dafür sorgen, dass sie frisch bleibt und Spaß macht.
- Spaß wirkt sich auf die persönliche Anpassung aus. Die Systeme für Ereignisse und für die persönliche Charaktergeschichte geben euch mit eurem Charakter eine Reihe von Anpassungsmöglichkeiten. Beim Durchspielen des Spiels kann jeder Charakter komplett verschiedene Inhalte erleben; die Welt erscheint stets frisch und neu, während man neuen Handlungssträngen in einer ständig im Wandel begriffenen Welt voller dynamischer Ereignisse folgt. Das bedeutet, dass man auch Spaß haben kann, wenn man mit einem Charakter an einen Ort zurückkehrt, an dem man schon einmal war, oder einen neuen Charakter mit einer völlig anderen persönlichen Charaktergeschichte erstellt.
- Spaß wirkt sich auf das Gameplay aus. Das Bestreben, Inhalte zu produzieren, die Spaß machen, war der Beweggrund für viele Entscheidungen, die wir in puncto Gameplay trafen, darunter die folgenden: Alle, die dabei helfen, eine Kreatur zu töten, erhalten Erfahrung und Beute; ihr konkurriert also nicht mit anderen Spielern. Für Ereignisse werden alle mit Karma belohnt, das ihr nach Belieben ausgeben könnt, um die Belohnungen zu bekommen, die ihr wollt, anstatt um unerwünschte Gegenstände würfeln zu müssen. Inhalte passen sich in ihrem Schwierigkeitsgrad an die Menge der Spieler an, sodass es auch dann noch genügend zu tun gibt, was Spaß macht, wenn viele Spieler teilnehmen. Alle können einander wiederbeleben, sodass andere Spieler eine Hilfe und kein Hindernis beim Erreichen eures Ziels darstellen. Alle können sich an Vorkommen von Ressourcen bedienen und gemeinsam auf die Belohnungen der Welt zugreifen, anstatt sich ein Wettrennen mit der Konkurrenz liefern zu müssen, damit sie einem nicht vor der Nase weggeschnappt werden. Und all das bedeutet einfach mehr Spaß!
Aber nicht nur in der Anfangsphase der Entwicklung haben wir uns gefragt: "Macht es Spaß?". Diese Frage blieb über den ganzen Verlauf der Entwicklung hinweg auf der Tagesordnung, und zwar auf vielerlei verschiedene Art. Als Erstes - und genau das ist eines der Dinge, die ich an ArenaNet besonders liebe - bitten wir unser QA-Team, sich diese Frage zu stellen, wenn es all das testet, was wir für das Spiel vorsehen. Wenn es ein Ereignis testet, hält es nicht nur die Fehler fest; es schreibt außerdem seine Vorschläge und Ideen dazu auf, wie wir das Spiel weiter verbessern könnten. Es gibt sein Feedback zum Erlebnis ab: Hat es Spaß gemacht? Wie könnte man es verbessern? Mit wie vielen wildgewordenen Waschbären sollte dieses Ereignis noch bevölkert werden, um daraus etwas richtig Tolles zu machen? Das Team schickt dieses Feedback dann direkt an den Designer, der das Ereignis entwickelt, und trägt dann durch Diskussion und Koordination dazu bei, es zu verbessern. In der ganzen Spielebranche habe ich noch von keinem Unternehmen gehört, bei dem das QA-Team ein solch wesentlicher Bestandteil des Entwicklungsprozesses ist; bei dem es täglich Änderungen im Spiel bewirken und beeinflussen kann. Das sind nicht einfach Tester, es sind Entwickler, die dazu beitragen, jeden Bestandteil des Spiels besser zu machen, und zwar, indem sie ständig die Frage stellen: "Macht es Spaß?".
Als Nächstes bitten wir das ganze Unternehmen, diese Frage zu stellen. Wir organisieren so genannte "All Calls" und "Small Calls", bei denen das ganze Unternehmen beziehungsweise einzelne Gruppen Teile des Spiels durchspielen und Feedback, Kommentare und Vorschläge rückmelden. Dies hilft uns, die Inhalte feinzuschleifen, und die Schlüsselfrage, die wir bei alledem stets stellen, ist: "Macht es Spaß?". Wir setzen diesen Prozess dann in unseren internen Tests fort und lassen Tausende die von uns entwickelten Inhalte spielen, damit sie uns detailliertes Feedback und Rückmeldung dazu geben, ob sie Spaß machen. Unsere Content Designer durchkämmen die internen Feedback-Foren konstant nach Kommentaren zu den Inhalten, die sie kreieren, um dann auf dem Feedback basierend Änderungen vorzunehmen.
Um das größtmögliche Publikum einzubeziehen, erweitern wir den Prozess schließlich zum Beta-Test, an dem Hunderttausende von Spielern teilnehmen. Um von einem derart riesigen Publikum Feedback zum Thema Spaß zu sammeln, gilt es, die Frage so zu stellen, dass sie sich möglichst leicht beantworten lässt und es ermöglicht, das Feedback zu einfach interpretierbaren Zahlen zu destillieren, auf deren Basis wir agieren können. Zu diesem Zweck implementieren wir Umfragen im Spiel, die erscheinen, wenn man bestimmte Schritte in der Geschichte, angesehene Regionen, Ereignisse oder Verliese abschließt. In jeder wird Spielern eine Reihe einfacher Fragen gestellt, von denen die wichtigste diese ist: "Wie viel Spaß hat dir das auf einer Skala von 1 bis 5 gemacht?" Im Anschluss daran drucken wir riesige Berichte mit den Umfragedaten aus, treffen uns in Subteams und konzentrieren uns auf die Inhalte, die im Hinblick auf den "Spaßfaktor" zu wünschen übrig lassen, bevor wir in einem Brainstorming diskutieren, wie wir für mehr Spaß und Spannung sorgen können.
Wäre unser Geschäftsmodell abonnementsbasiert, würden wir diese ganze Zeit möglicherweise darauf verwenden, so viele Füllerinhalte wie irgend möglich zu produzieren, damit Spieler weiterhin der Karotte hinterherjagen. Als Content Designer mit dem Ziel, Spaß im Spiel zu schaffen, können wir all diese Zeit in das Verfeinern der Inhalte investieren, bis daraus etwas wirklich Unglaubliches entsteht. Für uns Designer ist das umso befreiender und erfrischender, wenn man bedenkt, wie selten Entwicklern von ihren Publishern die nötige Zeit eingeräumt wird, ihr Spiel wirklich auf Hochglanz zu polieren. (Hut ab, NCsoft!)
Denkt also daran: Wenn ihr an einem der anstehenden Beta-Wochenenden teilnehmt und die kleine Umfrage auf dem Bildschirm erscheint, ist das DIE Gelegenheit, uns zu sagen, was ihr wirklich vom Spiel haltet. Diese Daten sind uns wirklich eine große Hilfe bei unserer Arbeit, denn sie zeigen uns, ob ihr wirklich Spaß habt. Schaut am Ende des Wochenendes in den Beta-Foren vorbei und hinterlasst euer ehrliches, aufrichtiges Feedback - wenn euch etwas gefallen hat, lasst uns wissen, warum; und wenn euch etwas nicht gefallen hat, gilt das Gleiche. Wir lesen das Feedback wirklich und hören euch zu, um ein Spiel zu entwickeln, das so viel Spaß wie nur irgend möglich macht. Wenn ihr nämlich Spaß habt, bedeutet dies, dass das Spiel (und unser Unternehmen) noch lange florieren wird.
Ich hoffe, dieser Artikel hat euch einen kleinen Einblick in den Entwicklungsprozess verschafft und erläutert, wie sich dieser aufgrund der von uns gewählten Kriterien bei der Messung des Erfolgs unseres Inhaltsmodells für Guild Wars 2 von dem anderer Spiele unterscheidet. Bei uns mag es anders und manchmal ganz schön verrückt zugehen, und nicht selten wird unser Improvisationstalent auf die Probe gestellt, aber was ist die Hauptsache? Es macht Spaß!
Apropos Spaß, eine kleine Randbemerkung: Eine Nebenwirkung unseres Prinzips, das QA-Team so eng in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen, wäre, dass es uns ungemein erleichtert wird, anhand des Feedbacks und der Vorschläge Leute zu finden, die ein unglaubliches Köpfchen für Design haben. Viele unserer heutigen Content Designer für GW2 haben ihre Laufbahn in unserer QA-Abteilung begonnen. Dies sind die Namen einiger dieser Leute, die vielleicht sogar ein paar eurer beliebtesten Ereignisse, Schritte einer Geschichte oder Verliese entwickelt haben: Will "Willipedia" Fairfield, Devon "The Knife" Carver, Matt "Wolf" Wuerffel, Kim "The Truth" Kirsch, Ben "Zen" Kirsch, Mike "Z-Axis" Zadorojny, Leah "Giggles" Rivera, Theo "Thor" Nguyen, Anthony "Put a Buff on It" Ordon, Leif "Fly-By" Chappelle und Jordan "Action" Anton. (Hinweis: Einige dieser Spitznamen mögen eigens für diesen Artikel erfunden worden sein, werden aber ab jetzt im Büro verwendet ... und zwar pausenlos. - Colin "Optimist Prime" Johanson. Eric "The Commissar of Common Sense" hat seine Karriere zwar nicht in der QA begonnen, verdient es aber dennoch, hier erwähnt zu werden, denn er hat all dies möglich gemacht, indem er eine Designkultur geschaffen hat, die den Weg für unsere Jagd nach Spaß freigibt!)